MTI: Interaktion und Personalisierung mit Smarten Städtebaulichen Objekten

Erschienen in:

Stadt der Zukunft – Smartes Stadtmobiliar für mehr Teilhabe im Alter

medhochzwei Verlag, Dezember 2021. ISBN: 978-3-86216-855-2

Der Beitrag „MTI: Interaktion und Personalisierung mit Smarten Städtebaulichen Objekten“ ist in diesem Buch als Kapitel 11 erschienen. Ein Auszug ist mit freundlicher Genehmigung des medhochzwei Verlags auf dieser Seite als Leseprobe abgedruckt. Das Buch kann direkt beim Verlag oder im Buchhandel bezogen werden.


Inhaltsverzeichnis

Geleitwort

Grußwort

Teil I – Das Projekt UrbanLife+: Digitale Technologien für lebenswerte Stadtquartiere im demografischen Wandel

Teil II – Rahmenbedingungen

  1. Trends
    1. Demografie
    2. Digitalisierung
    3. Mobilität
    4. Urbanisierung
    5. Wohnpreisentwicklung
    6. Fazit
  2. Öffentlicher Raum
    1. Was ist der öffentliche Raum?
    2. Anforderungen an den öffentlichen Raum
    3. Gelebter Raum
    4. Fazit
  3. Digitalisierung in der Stadtplanung
    1. Chancen der Digitalisierung
    2. Digitale Tools
    3. Digitale Daten
    4. Digitale Beteiligungsmöglichkeiten
    5. Fazit

Teil III – Soll

  1. Teilhabe älterer Menschen
    1. Demografischer Wandel
    2. Altersbedingte Einschränkungen und Pflegebedürftigkeit
    3. Teilhabe
    4. Soziale Teilhabe im Alter
    5. Quartier als Ort sozialer Teilhabe
    6. Trotz Pflegebedürftigkeit soziale Teilhabe ermöglichen?
    7. Im Alter mobil bleiben: Unterstützungsbedarfe und -möglichkeiten zur Förderung außerhäuslicher Aktivitäten
      1. Hilfsmittel
      2. Städtebau und Infrastruktur
      3. Unterstützende Technologien
      4. Angehörige, Ehrenamt und professionelles Personal
    8. Fazit
  2. Barrierefreiheit
    1. Was ist Barrierefreiheit?
    2. Normen für die barrierefreie Gestaltung
    3. Relevanz und Maßnahmen in Deutschland
    4. Fazit
  3. Digitale Transformation des urbanen Raums
    1. Motivation
    2. Smarte städtebauliche Objekte
      1. Definition
      2. Safety-Modell
      3. Funktionen
      4. Technologien für die Realisierung
      5. Datenschutz
    3. Positionierung smarter städtebaulicher Objekte im Stadtquartier
    4. Fazit

Teil IV – Ist

  1. Situation älterer Menschen in Deutschland
    1. Motivation
    2. Altersbedingte Einschränkungen
    3. Pflegebedürftigkeit
    4. Nutzung digitaler Technologien
    5. Fazit
  2. Das Leben älterer Menschen in einer kleinen Großstadt: Das Beispiel Mönchengladbach
    1. Stadt Mönchengladbach – ein Überblick
    2. Bevölkerungsstruktur und demografische Entwicklung
    3. Entwicklung der Pflegebedürftigkeit in Mönchengladbach
    4. Soziale Teilhabe älterer Menschen in Mönchengladbach
    5. Leitgedanken des kommunalen Handelns
    6. Unterstützungsangebote und Versorgungsstrukturen
    7. Stadtteil- und Quartiersentwicklung zur Förderung alter(n)sgerechter Stadtquartiere in Mönchengladbach
    8. Altenheime der Sozial-Holding der Stadt Mönchengladbach als Quartiers- und Versorgungszentren
      1. Grundsätze der Quartiersarbeit der Sozial-Holding
      2. Bewohner*innenzentrierte Quartiersarbeit in den Altenheimen
    9. Quartiersprojekte für ein selbstbestimmtes Leben im Alter
      1. Quartiersprojekt „Älter werden im Quartier Eicken“
      2. Landesprojekt „Altengerechte Quartiere NRW: Quartier Hardterbroich“
      3. Modellprojekt „Senioren-Scooter-Sharing“
      4. Senioren-Scooter-Park: Ein geschützter Übungsraum im Quartier
    10. Fazit
  3. Bürgerbefragung 65+ in Mönchengladbach
    1. Motivation
    2. Methode
      1. Teilnehmende
      2. Messinstrumente
    3. Ergebnisse
      1. Barrieren im öffentlichen Raum und weitere Umstände
      2. Soziodemografie
      3. Gesundheit und Mobilität
      4. Nutzung digitaler Technologien
    4. Fazit

Teil V – Lösung

  1. UrbanLife+-Szenarien: Safety durch smarte städtebauliche Objekte
    1. Motivation
    2. Anforderungsanalyse
      1. Adaptivität
      2. Annäherungserkennung
      3. Informationsaustausch
    3. Technische Umsetzung
      1. Smarte Sitzgelegenheit
      2. Smarte Wegbeleuchtung
      3. Smarter Informationsgeber
      4. Smarte Bushaltestelle
      5. Adaptives Routing
    4. Erprobung der Prototypen in Mönchengladbach
      1. Szenario I: Erledigungen des täglichen Bedarfs
      2. Szenario II: Besuch von Großveranstaltungen
      3. Simulationsstudien
    5. Fazit
  2. MTI: Interaktion und Personalisierung mit smarten städtebaulichen Objekten
    1. Mensch-Technik-Interaktion und smarte städtebauliche Objekte
    2. Gestaltung von interaktiven Objekten im urbanen Raum
    3. Herausforderung 1: Anpassungsfähigkeit
    4. Herausforderung 2: Mehrbenutzerfähigkeit
    5. Herausforderung 3: Walk-up-and-use-Fähigkeit
    6. Herausforderung 4: Joy of Use
    7. Fazit
    8. Anhang
      1. Aktivitätsunterstützung
      2. Smarte Informationsdisplays
      3. Barrierefreier Weg
      4. Dezentrale Identifikation
      5. Smarter Ticketautomat
  3. Weitere Lösungsansätze aus Deutschland und der Welt
    1. Motivation
    2. AccessMap
    3. BlindSquare
    4. Green Man +
    5. CrossWalk
    6. Elevate Delta Wheelmap
    7. Smart Crossing
    8. SMARTSTICK
    9. Fazit

Teil VI – Ausblick

Literaturverzeichnis

Verzeichnis der Herausgeberinnen und Herausgeber

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren


11. MTI: Interaktion und Personalisierung mit Smarten Städtebaulichen Objekten

Michael Koch, Julian Fietkau, Laura Stojko, Anna Buck, Lars Kafurke

Zusammenfassung:
In diesem Kapitel wird auf Mensch-Technik-Interaktion (MTI) mit Smarten Städtebaulichen Objekten (SSO) zur Verbesserung der Safety älterer Menschen eingegangen. Insbesondere werden Herausforderungen und Gestaltungsempfehlungen für solche SSO vorgestellt (Anpassungsfähigkeit, Mehrbenutzerfähigkeit, Walk-Up-And-Use-Fähigkeit und Joy-of-Use) und anhand der im Projekt UrbanLife+ entwickelten SSO präsentiert.

11.1. Mensch-Technik-Interaktion und smarte städtebauliche Objekte

Unter Mensch-Computer-Interaktion (MCI) oder Mensch-Technik-Interaktion (MTI) versteht man den Bereich, der sich mit allen Fragen rund um die benutzer- und kontextgerechte Gestaltung von technischen Systemen beschäftigt. Solche Systeme benötigen immer eine Art von Eingabe (explizit durch die nutzende Person oder implizit durch Tracking des Nutzungsverhaltens) und eine Art von Ausgabe (also z. B. mindestens eine einfache Signallampe oder Tonausgabe). Die Interaktion mit den Systemen kann also implizit (z. B. durch Erkennung einer Annäherung) oder explizit über konkrete Benutzerschnittstellen erfolgen.

Bei smarten städtebaulichen Objekten (SSO) handelt es sich um Objekte des urbanen Raumes, die mit IoT-Technologie ausgestattet sind.159 Die Objekte verfügen über Sensoren, Informationsverarbeitungsfunktionen und Aktuatoren, sodass sie die Interaktion mit Nutzern ermöglichen. Im Zusammenhang mit Smart Cities wird meist das Eingehen auf die konkreten Nutzenden bzw. die konkrete Nutzungs- situation (Personalisierung, Adaption) in den Vordergrund gestellt. So geht Streitz (2019) davon aus, dass die Eigenschaft „smart“ in Smart Cities nur dann realisiert ist, wenn sich die Objekte in der Stadt auf die Nutzenden einstellen können.


159 Zum Konzept des Smarten Städtebaulichen Objekts (SSO) siehe Kapitel 6.2.


11.2. Gestaltung von interaktiven Objekten im urbanen Raum

Allgemeine Empfehlungen für die Gestaltung von interaktiven Objekten finden sich beispielsweise in allgemeinen Arbeiten160 und hersteller- bzw. plattformspezifischen Richtlinien, wie den Apple Human Interface Guidelines.

Gestaltungsempfehlungen speziell für ältere Personen finden sich in zahlreichen Arbeiten161. Ein Beispiel solcher Gestaltungsempfehlungen ist die Berücksichtigung des Zwei-Sinne-Prinzips bei Ausgaben (also das gleichzeitige Ansprechen von zwei Sinnen – z. B. Bildanzeige und Audio) oder die Berücksichtigung von altersbedingten Einschränkungen bei Touch-Interaktion oder bei Sprach-Interaktion.

Eine „einfache“ Anwendung der vielen (teilweise widersprüchlichen) Gestaltungs- empfehlungen ist zwar möglich, berücksichtigt aber die speziellen Eigenschaften von smarten städtebaulichen Objekten nicht ausreichend.

Basierend auf Erfahrungen aus der Literatur und Erkenntnissen aus dem Projekt UrbanLife+ haben wir die MTI-Herausforderungen an Objekte im urbanen Raum deshalb in vier MTI-Querschnittsthemen zusammengefasst, die sich leicht über- prüfen und als Anregungen für einen Entwurf heranziehen lassen. Diese sind:

Im weiteren Abschnitt gehen wir kurz darauf ein, wie diese Kernherausforderungen im Allgemeinen angegangen werden können und wie sie insbesondere in einigen der SSO in UrbanLife+ behandelt wurden. Die SSO, an denen wir die Herausforderungen aufzeigen, sind:


160 Neumannconsult (2014); Nielsen (1994); Norman (2013); Shneiderman und Plaisant (2004).

161 Abril-Jiménez et al. (2009); Bright und Coventry (2013); Diaz-Bossini und Moreno (2014); Kötteritzsch et al. (2016).

162 Fietkau und Stojko (2020).

163 Koch et al. (2017).

164 Hubl et al. (2018); Hubl (2019).

165 Aleithe et al. (2018).


11.3. Herausforderung 1: Anpassungsfähigkeit

Im Allgemeinen wird bei MTI die Anpassungsfähigkeit eines Systems als grundlegend für die Benutzbarkeit angesehen166. Im öffentlichen Raum – der durch mangelnde Kontrollierbarkeit von Nutzern und Nutzungsbedingungen gekennzeichnet ist – treffen heterogene Bedürfnisse aufeinander. Der fitte Ältere mit 80 Jahren sollte von der Technik ebenso angesprochen werden wie der 65-jährige Rollstuhlnutzende. Bei der Einbeziehung von Menschen unterschiedlicher Kör- pergröße, kognitiver und motorischer Fähigkeiten sowie Interessen sollte die MTI verschiedene Modelle von Input und Output, angepasste Präsentationen sowie inhaltliche und strukturelle Veränderungen zulassen.

Zur Anpassungsfähigkeit in MTI gibt es eine Menge Forschung. Beginnend mit frühen Arbeiten von Brusilovsky über adaptive Hypermedia-Systeme167. Zentral für die Anpassungsfähigkeit eines Systems ist die Existenz eines Benutzermodells und die Anpassung auf verschiedenen Ebenen: Von Veränderungen der Abläufe oder Strukturen im System (pragmatische Ebene), über Veränderungen der Inhalte, mit denen der Nutzer interagiert (semantische Ebene), Veränderungen der grundlegenden Interaktion mit dem System (syntaktische Ebene), Veränderungen in der Präsentation von Informationen (lexikalische Ebene) bis hin zu physischen Veränderungen bei Input und Output (sensomotorische Ebene).

Als erste MTI-Komponente zur Adressierung dieser Herausforderung ist eine Lösung zur Identifikation von Benutzern gegenüber SSO zu realisieren. Neben der Identifikation sind Art und Umfang des Benutzerprofils relevant (siehe Anhang A4).

Für smarte Informationsdisplays (siehe Anhang A2) und smarte Ticketautomaten (siehe Anhang A5) haben wir eine Anpassung der angezeigten Informationen und der Interaktionsmodi mit dem Display vorgesehen – einschließlich der Möglichkeit, das Display physisch abzusenken (wenn man sich diesem im Rollstuhl sitzend nähert). Für die Unterstützung von Aktivitäten haben wir versucht, verschiedene Symbole anzuzeigen und verschiedene Interaktionsformen auf der Grundlage des Benutzerprofils zuzulassen.

Die Anpassungsfähigkeit betrifft auch das adaptive Routing (zur technischen Umsetzung siehe Kapitel 10.3.5). Dessen Funktionalität berücksichtigt verschiedene Daten aus dem Bewegungsprofil eines Benutzers. Attribute des Profils sind beispielsweise, auf welchem Fußwegmaterial die Fortbewegung möglich ist oder welche Barrieren auf Gehwegen man bewältigen könnte (z.B. ob Bordsteine überwunden werden können). Beim Vorhandensein von bestimmten Farbsehschwächen (z. B. Rot-Grün-Sehschwäche) oder generell bei Farbvorlieben können für die Darstellung von Routen Farben, Graustufen und Farbintensität frei gewählt werden. Das Heran- und Herauszoomen auf der Karte ist eine der wichtigsten Funktionalitäten, die jedes Navigationssystem enthalten soll und im Safety-Routing-System integriert ist.


166 Heinecke (2012).

167 Brusilovsky (1996).


11.4. Herausforderung 2: Mehrbenutzerfähigkeit

Alle städtebaulichen Objekte können von mehreren Nutzern nacheinander benutzt werden, die meisten sogar von mehreren Nutzern gleichzeitig. Die Mehrfachnutzung muss nicht koordiniert werden. Auch das Betrachten einer öffentlichen Anzeige durch einen Benutzer aus der Ferne, während ein anderer Benutzer mit der Anzeige interagiert, ist eine Mehrfachnutzung. Zu den Herausforderungen, die sich aus der Notwendigkeit ergeben, verschiedene Benutzer gleichzeitig zu bedienen, gehören die Ausgewogenheit zwischen Einzel- und Mehrbenutzerkontexten und die Erleichterung der Zusammenarbeit zwischen mehreren Benutzern, die sich möglicherweise fremd sind168.

Im Projekt zeigte sich der relevanteste Aspekt des Problems in der gleichzeitigen Sichtbarkeit der städtebaulichen Objekte durch mehrere Benutzer. Das gilt sowohl für smarte Informationsdisplays (mehrere Benutzer, die in verschiedenen Interaktionszonen vor Bildschirmen stehen) als auch für kleine Geräte, wie einfache Mikro-Informationsstrahler oder Lampen in einem intelligenten Beleuchtungsszenario.

Ein Beispiel für Arbeiten zur Mehrbenutzerfähigkeit betrifft die Untersuchung, welche Bewegungsrichtungen von Text auf dem Bildschirm die beste Lesbarkeit bieten. Die Verwendung von bewegtem Text auf dem Bildschirm wird durch verschiedene Empfehlungen motiviert, Animationen einzusetzen, um die Aufmerksamkeit der Benutzer zu erregen oder zu erhöhen169. Klassischerweise wird davon ausgegangen, dass das Führen, d.h. das Bewegen einer Wortfolge von rechts nach links, die optimale Animationsmethode ist170. In dieser Arbeit wird jedoch nicht berücksichtigt, dass (1) die Ansicht des Bildschirms teilweise durch andere Benutzer blockiert werden kann und (2) Benutzer nicht starr vor dem Bildschirm stehen müssen, sondern sich bewegen dürfen, während sie den Bildschirm selbst betrachten. In einer Laborstudie haben wir daher diese Szenarien mit verschiedenen Bewegungsrichtungen für den Text durchgespielt und die Variante ermittelt, die die beste subjektive Lesbarkeit bietet171. Das Ergebnis früherer Experimente war, dass die typische Textanimationsrichtung (von rechts nach links) nicht immer die beste Wahl ist. Wenn ein Benutzer vor dem Bildschirm steht, hat sich gezeigt, dass die besten Ergebnisse erzielt werden, wenn der Text vertikal (von oben nach unten) animiert wird. Für sich bewegende Benutzer hat ...


168 Ardito et al. (2015); Lin et al. (2015).

169 Huang et al. (2008).

170 So et al. (2009).

171 Nutsi und Koch (2016).


Ende der Leseprobe

Der hier abgedruckte Text entspricht den ersten vier Seiten des insgesamt 18 Seiten umfassenden Kapitels. Das Buch kann direkt beim Verlag oder im Buchhandel bezogen werden. Vielen Dank an den medhochzwei Verlag für die Ermöglichung dieser Leseprobe.