Herausforderungen menschengerechter Forschung mit Body-Tracking-Sensoren in Langzeit-Feldstudien
Julian Fietkau
Universität der Bundeswehr München
Jan Schwarzer
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg
Mensch und Computer 2024
WS-14: Bedürfnisse sind unterschiedlich und verändern sich, Methoden auch? Umdenken bei Forschungsmethoden
Was ist Body Tracking?
- Erfassung eines Raumbereichs durch Sensoren (meist Kameras)
- Software-basierte Erkennung menschlicher Figuren im Bild
- Aufzeichnung/Verarbeitung der Positionen von Kopf, Rumpf, Gliedmaßen
- Beispielhafte Einsatzzwecke:
- Echtzeit-Feedback: Gaming, Training/Sport, interaktive Kunst, …
- Zeitliche versetzte Auswertung: Werbung, Arbeitssicherheit, Wissenschaft, …
Beispiel
Siehe auch: poseviz.com
Herausforderung 1: Normative Wirkung technischer Körpermodelle
- Erkennung menschlicher Figuren bedeutet (zwingend) eine Festsetzung von Kriterien – explizit oder implizit – dafür, wann jemand „als Mensch gezählt“ wird.
- Kontur? Körperteile? Körperproportionen?
- Wie normativ sind die Körpermodelle unserer Sensoren? Wer wird ausgegrenzt?
- Post-hoc Anpassung: Werden z.B. amputierte Gliedmaßen durch Modell-Matching hinzuerfunden?
- Mit welchen Körpertypen wurden die KI-Modelle trainiert? Gibt es auf Herstellerseite Bemühungen für Fairness in dieser Hinsicht?
- Keine Aussagen in offizieller Dokumentation gefunden.
Herausforderung 2: Abschreckung durch Sensor-Präsenz
- Menschen fühlen sich nicht gerne beobachtet und analysiert
- Allein die Präsenz von Raumsensoren kann zu Verhaltensänderungen führen
- vgl. Hawthorne-Effekt
- Unser Ansatz: Transparenz
- Planung und Abstimmung mit lokalen Stakeholdern
- Kommunizieren was gemessen wird und was mit den Daten passiert
- Konkret: Aushang mit Erläuterung, Visualisierung, Link zu Datenschutzerklärung
- Sensorik veranschaulichen und erkundbar machen
Herausforderung 3: Deanonymisierung
- Inwieweit können Menschen in den Daten individuell erkannt werden? Wie können wir die Wahrscheinlichkeit senken?
- Körpergröße: Möglichkeit zur Normierung der Proportionen
- Präzise Zeitstempel: Vor der Veröffentlichung entfernen
- Individuelle Verhaltensmuster: 🤷
- Allgemein: Veröffentlichung umfassender Rohdaten birgt eine nicht komplett ausmerzbare Gefahr der Deanonymisierung
- Wir beschränken uns auf statistisch aggregierte Datensätze und plakative Beispiele
Was nun? ⇨ Lösungsansätze
- Steigerung der Fairness von Trainingsdaten (z.B. offene Datensätze)
- Barrierefreiheit durch Regulierung: diskriminierungsfreie Technik (vgl. EU AI Act)
- Sensor-Deployments in Kooperation mit lokalen Zielgruppen
- Partizipativ statt ausbeuterisch
- Dokumentation von Best Practices zur Erhebung, Speicherung, Auswertung und Veröffentlichung von Body-Tracking-Daten
Zusammenfassung
- Umgang mit Body-Tracking-Sensorik birgt Herausforderungen
- Normative Körpermodelle
- Abschreckung
- Deanonymisierung
- Wir müssen an fairen, barrierefreien und menschengerechten Methoden für Body Tracking bewusst arbeiten
- Lasst uns gemeinsam die Lösungsansätze weiter voran treiben!